Rückblick 2021: Paulo Freire - 100 Jahre Pädagogik der Befreiung

Paulo Freire

100 Jahre Pädagogik der Befreiung

"Erziehung bewegt nicht die Welt, Erziehung bewegt Menschen und Menschen bewegen die Welt"

Der brasilianische Pädagoge wäre am 19. September 2021 100 Jahre alt geworden. Seine fundamentale Kritik an herkömmlicher Bildung und Erziehung ist hochaktuell.
Seine Ideen und ihre Umsetzung für eine radikal demokratische Erziehung waren und sind es auch.


Wer war Paulo Freire - was waren seine zentralen Gedanken?
Hier gibt es ein Kurzportrait, eine Einführung in die Pädagogik Paulo Freires sowie eine ausführliche Literaturliste. Sein jüngstes - posthum veröffentlichtes - Werk "Pedagogia da indignacao" findet Ihr hier. Die Publikation "100 voces (y una carta) para Paulo Freire" des Consejo Latinoamericano de Ciencias Sociales (Lateinamerikanischer Rat der Sozialwissenschaften) versammelt aktuelle Beiträge lateinamerikanischer Sozialwissenschaftler*innen (Beiträge in Spanisch und Portugiesisch).
Fritz Letsch begleitet in seinem Blog https://paulofreiremuc.wordpress.com/ die Veranstaltungsreihe mit weiterführenden Gedanken zur Rezeption und Weiterentwicklungen Freires Pädagogik in München und weltweit.

Den Flyer zur Veranstaltungsreihe, die das Nord Süd Forum München anlässlich des Jubiläums durchgeführt hat, gibt es hier.


Rückblick auf die Veranstaltungsreihe anlässlich des Jubiläumsjahres

Im Rahmen des Jubiläumsjahres fanden vielfältige Veranstaltungen mit verschiedensten Ansätzen und ganz unterschiedlichen Zielgruppen statt: Begegnungen in kleiner Runde und Austausch in persönlichen Gesprächen, eine Einführung in die Pädagogik Freires auf der Terrasse des EineWeltHauses, zwei Sendungen auf Radio LORA mit Texten aus Freires Werken und Gedanken zu seinem Wirken sowie eine Einführung in das Forumtheater nach Augusto Boal.
Zwei Online-Veranstaltungen boten die Möglichkeit mit Dr. Oscar Jara Holliday (Präsident des Lateinamerikanischen Rats für Erwachsenenbildung, CEAAL) sowie mit Diego Kosbiau und Alexandre Fernandez Vaz (Department für Philosophie, Bundesuniversität von Santa Catarina, Florianopolis, Brasilien) über das Vermächtnis Paulo Freires und dessen Rezeption im heutigen Lateinamerika ins Gespräch zu kommen.
Heinz und Trudi Schulze aus unserem Paulo Freire-AK brachten bei einer Fachveranstaltung in Kooperation mit Intersol Salzburg ("Paulo Freire - Bildung, die inspiriert, befreit und verändert") und bei der Tagung "100 Jahre Paulo Freire. Solidarität in der globalen Gesellschaft. Dialog und Befreiung in einer digitalen Zukunft" des Paulo-Freire-Institut Wien und der Universtität Salzburg Beiträge ein. Die Dokumentation der Tagung in Salzburg findet Ihr hier.
Von Juli bis Oktober bot der Lesekreis Pensar para la paz: Educación para el compromiso social die Möglichkeit zur Reflexion über die Rolle und die Möglichkeiten von Bildung für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft. Neben Paulo Freire wurden auch Texte und Gedanken des kolumbianischen Philosophen Estanislao Zuleta gelesen. Hier geht's zum Leseprogramm. Die Lesereihe fand in Kooperation mit der Hochschule für Philosphie München statt.

Höhepunkt der Veranstaltungsreihe war zweifelsohne das Jubiläumsfest, das an Freires Jubiläums-Geburtstag trotz schwieriger Corona-Rahmenbedingungen im Saal und der Terrasse des EineWeltHauses stattgefunden hat: Kurzbeiträge zu verschiedensten Facetten seines Wirkens, Anschauungsmaterialien aus der praktischen Arbeit, zeitgenössische brasilianische Musik, ein kleines Buffet und persönliche Begegnungen ließen den Pädagogen und Menschen Paulo Freire ein Stück weit lebendig werden.


Ein großes Dankeschön an alle, die zum Gelingen der Veranstaltungsreihe beigetragen haben: Trudi und Heinz Schulze, Christopher Hak, Fritz Letsch, Kai Schäfer und Raphael Thalhammer.


Folgende Veranstaltungen wurden aufgezeichnet:

Einführung in das Forumtheater nach Augusto Boal: „Theater macht Politik“

Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal, der die Ideen Bert Brechts und der Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire aufgenommen hat, um ein kommunikatives Theater zu schaffen.

Im Forumtheater werden durch modellhaft entwickelte Szenen die Fragen aus dem Alltagsleben der Teilnehmenden aufgegriffen. Das Publikum kann sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspieler:innen, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen.

Hier geht es um die Antworten auf Fragen: Was würde ich in der dargestellten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die dargestellte Situation verändern?

Forumtheater ist also Training für zukünftiges Handeln in brisanten Konfliktsituationen. Augusto Boals Ansatz geht von zwei Grundsätzen aus: Das Theater soll sich nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern ebenso mit der Zukunft und deren Möglichkeiten. Das Publikum wird nicht als passives Wesen und Objekt des Theaters verstanden, sondern wird selbst zur aktiven Teilnahme aufgefordert, um an der Veränderung der unbefriedigenden Situation mitzuwirken.

Das Forumtheater bringt Veränderungsprozesse in Gang: es ist Theater, das „Politik macht“. Die gemeinsame spielerische Suche nach ungewöhnlichen Problemlösungen spricht nicht nur die rationale Seite des Menschen an, sondern auch seine emotionale, seine lustbetonte und setzt somit Impulse zu neuen Denk- und Handlungsweisen frei.

Bei Interesse an einem Einführungs-Workshop zum Forumtheater (Dauer 3 Stunden) gerne mit Fritz Letsch (Theaterpädagoge und Coach) Kontakt aufnehmen (fritz[ät]joker-netz.de).


Im Rahmen des Jubiläumsjahres fanden folgende Veranstaltungen statt:

Lesekreis "Für den Frieden denken: Bildung für Soziales Engagement" - "Pensar para la paz: Educación para el compromiso social" (Freitagabend, 14-tägig, 2. Juli bis 22. Oktober 2021)
"Für den Frieden denken: Bildung für soziales Engagement" ist eine Übung zur Reflexion über die Rolle und die Möglichkeiten von Bildung für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft den Ideen zweier lateinamerikanischer Autoren folgend: Estanislao Zuleta (Kolumbien) und Paulo Freire (Brasilien). In diesem Sinne ist der Lesekreis "Fridays for Freire" Teil der verschiedenen Initiativen, die anlässlich des 100. Geburtstages des brasilianischen Pädagogen und Philosophen weltweit stattfinden. Der Lesekreis findet auf Spanisch statt.

Was mir Paulo Freire sagt - und was ich gern dazu wüsste (Präsenzveranstaltung am 13. Juli 2021)
Der Name Paulo Freire wird oft als Kürzel für dialogische Bildung und das eigenständige Lernen der Kinder und Jugendlichen benutzt, manche kennen noch die Geschichten von den Alfabetisierungsprogrammen…
Aber wer genau war dieser berühmte Reformpädagoge, was waren sein zentralen Ideen, was davon wirkt bis heute nach?

Was mir Paulo Freire sagt - und was ich gern dazu wüsste (Online-Veranstaltung am 15. Juli 2021)
Der Name Paulo Freire wird oft als Kürzel für dialogische Bildung und das eigenständige Lernen der Kinder und Jugendlichen benutzt, manche kennen noch die Geschichten von den Alfabetisierungsprogrammen…
Aber wer genau war dieser berühmte Reformpädagoge, was waren sein zentralen Ideen, was davon wirkt bis heute nach?

Einführung in des Forumtheater nach A. Boal: Theater macht Politik
(NoSFo-Mitgliederfortbildung am 23. Juli, 15 – 18 Uhr)

Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal, der Ideen Bert Brechts und aus der Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire weiterentwickelt hat, um ein kommunikatives Theater zu schaffen. Im Forumtheater werden durch modellhaft entwickelte Szenen Fragen aus dem Alltagsleben der Teilnehmenden aufgeworfen. Das Publikum kann sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspieler:innen, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen. Hier geht es um Antworten auf diese Fragen: Was würde ich in der dargestellten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die dargestellte Situation verändern?
Im Rahmen eines dreistündigen Workshops werden wir gemeinsam eine Szene vorbereiten, die am folgenden Montag im Plenum (26.07.) vorgestellt wird.
Die Fortbildung richtet sich an Mitgliedsgruppen des Nord Süd Forum München e.V.

100 Jahre Paulo Freire - Einführung in seine Pädagogik der Befreiung (Terrassengespräch im EWH am 28. Juli 2021)
Die Referent*innen Trudi und Heinz Schulze haben in der Educación Popular gearbeitet, waren Teil der Paulo-Freire-Gesellschaft und haben Freire-Texte (als "graue Literatur") übersetzt und selbst über Educación Popular publiziert. An diesem Abend geben sie einen Überblick zu Freires Person, zu seiner Weltsicht, zu seiner radikalen Theorie und Praxis einer Bildung für Befreiung.

Von Paulo Freire, Summerhill bis zu den Demokratischen Schulen
(Radio-Sendung auf Radio Lora am 11. August 2021)
Was kommt auf unsere Kinder zu, wenn die autoritären Strukturen so hart verteidigt werden?
Was haben unsere Kinder in den COVID-Zeiten gelernt? Selbst zu lernen?
Lern-Autonomie, den eigenen Spuren der Interessen zu folgen, war ein Ziel von Paulo Freire.

100 Jahre Paulo Freire im Eine-Welt-Report
(Radio-Sendung auf Radio Lora am 30. August 2021)

Im Eine-Welt-Report aus München lesen wir Auszüge aus den Werken des großen brasilianischen Denkers und Praktikers Paulo Freire, dessen radikal demokratische Pädagogik der Befreiung in viele Bereiche und Länder hineingewirkt hat.

100 Jahre Paulo Freire: Jubiläums-Matinee. Ein Hoch auf die Befreiende Pädagogik!
(Präsenzveranstaltung am 19. September 2021)

An diesem Tag wäre Paulo Freire 100 Jahre alt geworden.
Wir feiern mit Brunch, Musik, Kurzbeiträgen, Anschauungsmaterialien und Beispielen die wichtigen Impulse, die der Jubilar für eine radikal demokratische und befreiende Pädagogik mit zutiefst humanem Ansatz vielerorts gegeben hat und bis heute gibt. Eine kleine Würdigung des großen Denkers und Pädagogen, der uns auch heute noch viel zu sagen hat.

Die Rezeption und das Vermächtnis von Paulo Freire heute in Lateinamerika - PAULO FREIRE 100 AÑOS: su aporte radical para otra educación posible (Online-Veranstaltung am 01. Oktober 2021)
In dieser Online-Begegnung berichtet Dr. Oscar Jara Holliday (Präsident des Lateinamerikanischen Rats für Erwachsenenbildung, CEAAL) über das Vermächtnis Paulo Freires und dessen Rezeption im heutigen Lateinamerika.
Die Veranstaltung findet auf Spanisch mit deutscher Übersetzung statt.

Paulo Freire - Empowerment in Theorie und Praxis: Teilnehmende aktivieren und ihre Potenziale stärken (Online-Veranstlaltung am 16. November)
Diesen Herbst wäre Paulo Freire 100 Jahre alt geworden. Wir nehmen das zum Anlass und begeben uns auf Spurensuche: Was können wir von dem einflussreichen brasilianischen Pädagogen lernen, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur*innen zum Wohle aller Beteiligten zu verbessern? Ein zentrales Element seiner Arbeit war „Empowerment“. Auf der Grundlage seiner Arbeit wurde die Methode REFLECT („Regenerated Freirean Literacy Through Empowering Community Techniques“) entwickelt, die schnell Verbreitung fand und heute von über 500 Organisationen in über 70 Ländern angewandt wird. Der Ansatz konzentriert sich auf die Anliegen, Ressourcen und Interessen der Lernenden und basiert auf dem Respekt und der Wertschätzung ihrer Erfahrungen und ihrer Kenntnisse. Nach einem Impulsvortrag von Dr. Katarina Popović (ICAE) über die Ideen und Arbeit von Paulo Freire zur Erwachsenenbildung mit anschließender Fragerunde, werden in Kleingruppen praxisnahe Umsetzungmöglichkeiten der Methode REFLECT vorgestellt.

Paulo Freire - Inspirationsquelle für kritische Bildung und progressive Kultur in Brasilien (Online-Veranstaltung, 24. November)
In dieser Online-Begegnung mit Diego Kosbiau und Alexandre Fernandez Vaz (Department für Philosophie, Bundesuniversität von Santa Catarina, Florianopolis, Brasilien) soll es darum gehen, wie die Pädagogik Paulo Freires in der jungen Generation der Dozierenden an Universitäten in Brasilien eine Rolle spielt und wie sie gerade mit Bezug auf die Lehramtsbildung aufgegriffen wird. Ist Paulo Freire hier eine Randfigur oder kommt seiner Pädagogik vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Situation in Brasilien eine neue Bedeutung zu? Sehen junge Menschen in Freire eine Inspirationsquelle für kritische Bildung und eine progressive Kultur in Brasilien? Welche Kraft könnte hinter Freires Pädagogik heute noch stecken – in Brasilien und auch hier in Deutschland?